In der Podiumsrunde diskutierten Anne Bendig, HR Director Central Europe bei Reckitt Benckiser Deutschland, und Dr. Michael Niggemann, Vorstand für Personal, Recht und M&A bei der Deutsche Lufthansa AG, mit Björn Böhning, Staatssekretär im Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) und dort unter anderem für die Politikbereiche Arbeitsschutz, Digitalisierung und Arbeitswelt verantwortlich.
Während Reckitt Benckiser, ein Hersteller von Desinfektions- und Reinigungsprodukten, infolge der Krise einen enormen Anstieg der Nachfrage der eigenen Produkte verzeichnet und die Mitarbeiter an den weltweiten Produktionsstandorten dadurch eine deutlich höhere Arbeitsbelastung erfahren, brach das Kerngeschäft der Lufthansa, die Luftfahrt, dramatisch ein – mit der Konsequenz, dass die Existenz des Konzerns gefährdet war. „Es ging für uns um das Überleben der Lufthansa-Gruppe“, stellt Michael Niggemann fest. „Die Zukunftsfähigkeit der Lufthansa ist für uns gerade das entscheidende Thema.“
Staatssekretär Björn Böhning weist darauf hin, dass es Deutschland geholfen hat, in den konjunkturstarken Jahren vor der Pandemie für eine Krisensituation angespart zu haben und so besser als andere Länder reagieren zu können. Es sei aber wichtig, die Krise zu nutzen und Zeiten der Kurzarbeit mit der Qualifizierung der Beschäftigten zu verbinden. Björn Böhning äußert die Hoffnung, dass Deutschland dann schneller und besser aus der Krise herauskommen könne. So könnten Unternehmen auch dem Paradoxon – dem Fachkräftemangel in einigen Branchen und dem Fachkräfteüberschuss in anderen – begegnen.
Auch Anne Bendig betont, wie wichtig flexibles Reagieren in der Krise ist. Die hohe Nachfrage nach Desinfektionsmitteln zwang Reckitt Benckiser zu kreativen Lösungen. Als es zu Engpässen beim Verpacken von Desinfektionsmitteln kam, hat das Unternehmen das Problem gelöst, indem es verfügbare Verpackungen anderer Produkte für Desinfektionsmittel verwendete. „Auf dem Höhepunkt der Pandemiekrise ist uns die Umstellung der Produktion binnen vier Monaten gelungen.“ Eine solche Umstellung einer Produktionslinie dauere in normalen Zeiten bis zu einem Jahr.
Auch Lufthansa musste und muss vielfältige Herausforderungen bestehen. Mobiles Arbeiten sei für den Konzern zwar nicht per se neu, wie Niggemann berichtet, doch in der Breite der Belegschaft sei es neu gewesen. Auch die hohe Kurzarbeitsquote war ein Novum. „Unsere Herausforderung bestand darin, die komplexe Materie der Kurzarbeit kurzfristig in konkrete Vereinbarungen zu übersetzen“, so Michael Niggemann. „Dies ist uns schnell gelungen.“ Gleichzeitig erkannte der Konzern, dass er, bedingt durch die nachhaltigen Effekte der Krise, in Zukunft schlankere, agilere Strukturen brauchen werde. „Die Konzernflotte wird sich verkleinern, das bedeutet auch, Stellen aufzugeben“, sagt der Personalvorstand. Diese Maßnahmen müssten gemeinsam mit den Sozial- und Tarifpartnern gestaltet werden. „Neben dem Aspekt des Gesundheitsschutzes für unsere Mitarbeiter und Kunden ist die Covid-19-Krise auch eine enorme wirtschaftliche Herausforderung für uns“, betont Niggemann.
Daher muss die HR-Mannschaft bei Lufthansa laut Niggemann derzeit harte Restrukturierungsmaßnahmen durchführen, was für den Konzern in den vergangenen Jahren untypisch war. In dieser Situation gilt es, die Sozial- und Tarifpartner über Krisenvereinbarungen und Absicherungsschutz mit in die Verantwortung zu nehmen.
Eine immer wichtigere Rolle der Sozialpartner sieht auch Björn Böhning. Als positives Beispiel nennt der Staatssekretär die gute Zusammenarbeit des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales mit den Sozialpartnern bei der Entwicklung des Arbeitsschutzstandards zum Schutz der Beschäftigten vor dem Corona-Virus. Als Herausforderung nennt er, die Tarifbindung wieder zu stärken. Es müsse einen Mehrwert für tarifgebundene Unternehmen und ihre Beschäftigten geben, etwa durch eine steuerliche Absetzbarkeit von Gewerkschaftsbeiträgen oder Entlastungen von bürokratischen Auflagen für die Arbeitgeber.