VW-Tochter Traton setzt ihre Stellenarchitektur neu auf
Wie vereinheitlicht man Jobtitel und Grading in einem gewachsenen Konzern? Experten der VW-Tochter TRATON und Berater von Deloitte gaben hierzu Auskunft beim 6. Praxisforum Total Rewards.
Grading – eine Stellenbewertung anhand eines Stufenwertzahlverfahrens – ist ein systematisches Verfahren, um die einzelnen Stellen und Funktionen in einem Unternehmen über alle Bereiche und Hierarchieebenen hinweg zu systematisieren, zu bewerten und in einen Gesamtzusammenhang zu stellen. Grundsätzlich bauen auch Tarifverträge auf Stellenbewertungssystemen auf. Allerdings orientieren sich viele Tarifverträge eng an Kriterien der Qualifikation und Betriebszugehörigkeit, während Faktoren wie die Jobkomplexität und Verantwortung schwächer gewichtet sind. Während im Zusammenhang mit Tarifverträgen lediglich von der Eingruppierung der tariflich vergüteten Arbeitnehmer in Entgeltgruppen gesprochen wird, erfassen Grading-Systeme einzelner Unternehmen außerhalb von Tarifverträgen in der Regel auch Experten- und Managerstellen. Insgesamt ist das Grading damit eine wichtige Komponente in einem Total-Rewards-Modell.
In Deutschland hat die Stellenbewertung am Ende der 1960er Jahre und zu Beginn der 1970er Jahre Einzug gehalten. Zuvor waren solche Methoden und Instrumente in moderner Form seit den 1930er Jahren in den USA entwickelt worden. Die Stellenbewertung hat ihren Ursprung im Vergütungsvergleich. Mit ihr lässt sich feststellen, ob ein Stelleninhaber ein angemessenes Entgelt erhält, ob er, gemessen an definierten Kriterien, über- oder unterbezahlt ist. Zudem kann ein Grading-System Unternehmen als Instrument dienen, um Analysen darüber anzustellen, ob das Stellen- und Funktionsgefüge zur Geschäftsstrategie, zur Organisation und zur Unternehmenskultur passt.
Grading-Systeme finden sich insbesondere in mitarbeiterstarken Unternehmen, so in fast allen DAX-Konzernen sowie in vergleichbaren Unternehmen, die nicht an einer Börse gelistet sind, aber eine ähnlich große Belegschaft beschäftigen. Im MDAX nutzt einer Schätzung zufolge fast jedes zweite Unternehmen ein Stellenbewertungssystem. Dagegen verzichtet die Mehrzahl der Unternehmen unterhalb des MDAX-Niveaus sowie des kleinen Mittelstands bislang auf solche Instrumente.
Ein praktisches Kriterium für die Entscheidung über die Einführung eines Gradings ist die Frage, ob sich das Topmanagement noch selbst ein umfassendes Bild von allen im Unternehmen vorhandenen Stellenprofilen, insbesondere bei Fach- und Führungskräften, machen kann oder ob ein Überblick ohne ein Grading-System nicht mehr möglich ist. Laut Marktschätzungen sind Grading-Systeme im produzierenden Gewerbe typischer Weise in Unternehmen ab 500 Millionen Euro Umsatz bzw. ab 2.000 Beschäftigten anzutreffen. Im Handel und bei Dienstleistungen liegt diese Grenze bei einem Umsatz von 1 Milliarde Euro bzw. 5.000 Mitarbeitern.
Die Haupttreiber für die Einführung von Grading-Systemen sind das Wachstum auf internationalen Märkten, eine zunehmende Zahl der Niederlassungen in anderen Ländern und ein steigender Bedarf an internationalen Fach- und Führungskräften. Dadurch wächst für die Arbeitgeber der Bedarf, die Stellen- und Funktionsprofile gruppenweit abzustimmen und vergleichbar zu machen.
Hinsichtlich der Methoden, nach denen ein Grading durchgeführt werden kann, kennt der Markt drei Ansätze:
Summarik: Lange Zeit erfolgte die Grading-Zuordnung der einzelnen Stellen und Funktionen anhand definierter Stufensysteme entsprechend dem summarischen Ansatz, der auf eine differenzierte Analyse der einzelnen Positionen verzichtet. Dabei werden die Anforderungen der Stellen in ihrer Gesamtheit bewertet und im Vergleich zu anderen Tätigkeiten einem Rang oder einer Gruppe zugeordnet. Die Bewertung basiert meist auf standardisierten Arbeitsbeschreibungen und erfolgt als begründete Entscheidung. So wird jeder Stelle bzw. Funktion eine kurze Beschreibung im Hinblick auf die Komplexität der Arbeitsaufgabe und die benötigten Qualifikationen, Kompetenzen und Berufserfahrungen zugeordnet.
Annalytik: Deutlich komplexer ist der analytische Grading-Ansatz. Bei ihm wird eine Stelle bzw. Funktion unter Einbezug zahlreicher Faktoren bewertet, die verschieden gewichtet werden. Er basiert also auf Kriterien, die eine abgestufte Bewertung erlauben. Je nach Bewertungsmodell mögen sich diese Kriterien in Anzahl, Formulierung und Umfang unterscheiden, doch im Kern ähneln sie sich:
In analytischen Bewertungsmodellen werden die einzelnen Kriterien gewichtet und führen am Ende zu Scores auf der Basis eines Punktemechanismus. Auch der wichtigste Tarifvertrag, das Entgeltrahmenabkommen (ERA), basiert auf einer analytischen Stellenbewertung. Deren Hauptziele sind zum einen eine möglichst objektive interne Differenzierung der Stellen und Funktionen, zum anderen die Möglichkeit externer Vergleiche mit Peergroups.
Summalytik: Die Summalytik ist heute die vielleicht am häufigsten verwendete Grading-Methode. Sie nutzt die jeweiligen Vorteile von Summarik und Analytik und hat sich als eigenständiger Ansatz weiterentwickelt. Dabei werden Arbeitssysteme zu Gruppenarbeit zusammengefasst, anhand definierter Merkmale beschrieben und nach ihnen bewertet. Zu den Merkmalen zählen:
Summalytische Stellenbewertungssysteme lassen sich flexibel an organisatorische Veränderungen und neue Prozesse anpassen. Sie orientieren die Mitarbeiter in Richtung qualifizierter Gruppenarbeit und motivieren sie über das Vergütungsmodell.
Unabhängig von den drei skizzierten Bewertungsmethoden fasst ein Grading-System anforderungsähnliche Funktionen in Funktions- oder Einkommensgruppen zusammen, auch Grades genannt. Unterschieden wird auch nach Management-, Experten-, Fach- oder Projektkarriere. Für die einzelnen Grades werden entsprechend der Vergütungsstrategie des Unternehmens Einkommensbänder festgelegt. Diese können fix oder variabel sein, und sie können die Vergabe von Nebenleistungen oder Fringe-Benefits regeln. Einkommensbänder sollten zum einen wettbewerbsfähig sein und zum anderen eine interne Vergütungsfairness und ein kontrolliertes Personalkostenmanagement gewährleisten. Damit werden Vergütungspakete durchgängig für eine Wertigkeitsebene vergleichbar und folgen international einheitlichen Prinzipien. Im Ausland gelten häufig lokal unterschiedliche Vergütungsniveaus und landesübliche Nebenleistungen.
Vor allem die großen amerikanischen Vergütungsberatungsgesellschaften haben in der Vergangenheit umfassende Stellenbewertungssysteme entwickelt und im Markt etabliert. Zu den wichtigsten und bekanntesten Systemen zählen:
Ein wichtiges Kriterium bei der Auswahl eines individuell passenden Grading-Systems ist die Flexibilität der gewählten Methodik. Unternehmen unterliegen heute einem ständigem Wandel, der sich in jederzeit verändernden Inhalten von Funktionen und Stellen bemerkbar macht. Deshalb ist der starre Ansatz einer klassischen Funktionsbewertung kritisch zu betrachten.
Sinnvoll ist eine Verknüpfung des Grading-Systems mit anderen personalrelevanten Managementprozessen und Total-Rewards-Ansätzen über die reine Stellenbeschreibung hinaus. Unternehmen nutzen heute pragmatische Verfahren mit einer überschaubaren Anzahl von Bewertungskriterien, die individuell zugeschnitten sind. Stellen, die im Hinblick auf Karriere- und Talentmanagement vergleichbare Bedarfe aufweisen, können zusammengeführt werden. In größeren Organisationen lassen sich Jobfamilien bilden. In einer modernen Funktionsarchitektur sind Funktionen einem Gefüge aus Management-, Experten- und Supportrollen zugeordnet. Somit lassen sich in einzelnen Funktionsbereichen oder Jobfamilien Karrierewege und horizontale Entwicklungen innerhalb von Rollen verdeutlichen, anstatt herkömmliche Beförderungen mit einer fast ausschließlich vertikalen Aufstiegsperspektive zu zementieren.