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Ist Comp & Ben sexy für den HR-Nachwuchs?

In Gesprächen mit HR-interessierten Studierenden lässt sich erfahren, dass sie eine große Vorliebe für Themen wie Personalentwicklung, Employer Branding und Talent Acquisition haben oder aber an einer Berufslaufbahn als HR Business Partner interessiert sind. Compensation & Benefits wird selten als Traumjob genannt. Im Resultat beklagen viele Unternehmen einen Mangel an Kandidatinnen und Kandidaten, sodass Recruiter die wenigen Vergütungsspezialisten „jagen“, die es am Markt noch gibt.

In Comp-&-Ben-Funktionen können Talente mit unterschiedlichen Neigungen und Fertigkeiten ihre Fähigkeiten einbringen. Neben Generalisten finden sich in größeren Organisationen auch Spezialisten in den Feldern betriebliche Altersvorsorge, Executive Compensation, Nebenleistungen, Sales Compensation, Stellenbewertung, tarifliche Vergütung sowie Versicherungen. Darüber hinaus begegnen uns in der Beratungspraxis häufig hybride Rollen mit Aufgaben in den Bereichen HR Analytics, HR Information Systems, Global Mobility und Prozessmanagement. Trotz der Breite dieser Tätigkeitsfelder erscheint Absolventen und Berufserfahrenen die Materie eher als abschreckend.

Fehlende Informationen verleiden den Zugang

Hören Studierende den Begriff Compensation & Benefits, so denken sie häufig an einen administrativen Beruf und sehen sich die monatliche Gehaltsabrechnung vorbereiten. Die Nähe von Gehaltsabrechnung und Vergütung mag in den USA häufiger gegeben sein. In Deutschland haben wir jedoch das Glück, über gut ausgebildete Steuerfachangestellte und Finanzbuchhalter zu verfügen, die sich um die Payroll und die verwandten Herausforderungen der Lohnsteuer und Sozialversicherung kümmern – ob intern oder im Outsourcing-Modell.

Die akademische Lehre behandelt das Feld Reward Management eher stiefmütterlich. In Vorlesungen und Seminaren wird höchst theoretisch zwischen Analytik und Summarik von Stellenbewertungen unterschieden; Begriffe wie Rangfolge-, Katalog-, Randreihen- und Stufenwertzahlenverfahren werden kurz vorgestellt und schrecken eher ab. Zudem erfahren in den Wirtschaftswissenschaftlen auch immer noch die veralteten (und längst widerlegten) Motivationstheorien von Herzberg und Maslow große Aufmerksamkeit. Die genannten Lehrinhalte sind nicht gerade sexy.

Praktische Übungen zur Stellenbewertung, Vergütungsanalyse, Gender-Pay-Gap-Analyse oder anderen Instrumenten sind rar. Dass Compensation & Benefits als eine strategische Funktion gelebt werden kann, die tief im Personalbereich und je nach Ausprägung auch in der Unternehmenskultur verankert ist, wird den Lernenden somit nicht bewusst.

Hoher Anteil an manueller Arbeit vergrault

Studierende schreckt insbesondere nach einem Praktikum der oft noch hohe Anteil der manuellen Arbeit als Vergütungsexperte ab. So müssen häufig in Unternehmen Gehaltstabellen manuell erstellt werden (wenn kein HR-Informationssystem vorhanden ist), Gehaltsbriefe gedruckt und per Postmappe verteilt werden. Auch zählen in Excel verwaltete Stellenarchitekturen sowie manuelle Vergütungsanalysen nicht selten noch zum Tagesgeschäft. Dass es immer mehr Unternehmen mit Comp-&-Ben-Bereichen gibt, in denen sich digitale Tools (wie beispielweise gradar.com)  durchsetzen, die Stellenbewertungsprozesse digitalisieren und die Verwaltung von Stellenarchitekturen vereinfachen, ist den Studierenden nicht bewusst. Zudem lassen sich mit solchen digitalen Methoden niederschwellig Vergütungsanalysen durchführen oder das geschlechtsspezifische Lohngefälle analysieren, ohne auf längst verschüttete eigene Statistikkenntnisse zurückgreifen zu müssen.

Der Schritt zum Champion des evidenzbasierten Managements ist für den nicht mehr weit, der an der Quelle der unternehmensinternen Daten sitzt. Auch über die Plattform amalia.io lassen sich Prozesse der Sales Compensation digitalisieren und Daten aus verschiedenen Quellen zusammenführen. HR-Plattformen wie SuccessFactors oder HiBob digitalisieren nicht nur die Stammdatenverwaltung, sondern auch Prozesse des Vergütungsmanagements. Die innovativen Instrumente digitalisieren das Vergütungsmanagement, aber bis auf Weiteres bleibt eine Tabellenkalkulation eines der besten Arbeitstools für Comp & Ben.

Das Fachgebiet wandelt sich

Bei der Transformation in digitalisierte Systeme stehen Comp-&-Ben-Fachleute häufig an vorderster Front. Sie bereiten Daten für den Data Load auf, definieren Prozesse im HR-Informationssystem und verknüpfen verschiedene Datenquellen. Gerade das Reward Management  profitiert erheblich von der Digitalisierung ihrer vormals manuellen Prozesse. Darüber hinaus verfügen Verantwortliche in Comp & Ben häufig über ein umfassendes Verständnis der Unternehmensfinanzen. Dies bietet ihnen einzigartige Möglichkeiten, datengestützt zu beraten und fundierte Entscheidungen zu treffen. Der Schritt zu Champion des evidenzbasierten Managements ist für den nicht mehr weit, der an der Quelle der unternehmensinternen Daten sitzt.

So können Vergütungs- und Sozialleistungsstrategien dazu beitragen, Spitzenkräfte zu gewinnen und zu halten, das Engagement und die Motivation der Mitarbeitenden zu verbessern und somit den Gesamterfolg des Unternehmens zu unterstützen. Nicht bewusst ist Absolventen auch, dass der Comp-&-Ben-Bereich nicht statisch ist, sondern sich ständig weiterentwickelt und zum Beispiel auf Trends reagieren muss (siehe das Thema Nachhaltigkeit).

Die Covid-19-Pandemie hat den Wettbewerb um Mitarbeiter verschärft. Es gilt nun mehr als je zuvor sicherzustellen, dass für Bewerbende und Belegschaft faire und marktgerechte Vergütungsmodelle implementiert werden. Zudem erhält das Thema Entgeltgerechtigkeit eine immer größere Bedeutung. So verlangt die neue EU-Richtlinie über Lohntransparenz, dass Unternehmen mit mehr als 100 Mitarbeitern Berichte über das Lohngefälle zwischen den Geschlechtern veröffentlichen müssen. Falls dieses fünf Prozent überschreitet, müssen sie entsprechend Maßnahmen, wie etwa eine Stellenbewertung und Vergütungsanalyse (gemeinsame Entgeltbewertung), betreiben. Folglich wird der Bedarf an Fachkräften mit analytischen Fähigkeiten und einer Neigung zur Digitalisierung weiter steigen.

Stellen im Überfluss – hilft ein Re-Branding?

Wenn wir auf die aktuellen Stellenausschreibungen bei einschlägigen Jobbörsen schauen, zeigt sich: Einstiegsstellen im Comp-&-Ben-Bereich sind sehr selten. Arbeitgeber suchen häufiger Kandidatinnen und Kandidaten auf dem Senior Level, die bereits über mehrjährige Berufserfahrung verfügen. Ganz anders ist das Bild im Recruiting-Sektor: Hier finden sich zahlreiche Angebote für Absolventen, die frisch von der Hochschule kommen. Möglicherweise ist dies den zahlreichen transaktionalen Aufgaben der Personalbeschaffung geschuldet, die sich gut für einen Einstieg in den Beruf eignen. Es lohnt sich, in den eigenen Comp-&-Ben-Nachwuchs zu investieren, zum Beispiel über Traineeprogramme und neue Jobdescriptions.

Der Direkteinstieg ins Vergütungsmanagement fällt Absolventen oft leichter bei spezialisierten Unternehmensberatungen. Dass diese mit drei bis fünf Jahren Berufserfahrung beim Wechsel in ein (Groß-)Unternehmen sechsstellige Gehälter erzielen könnten, macht diesen Weg sicher attraktiv.

Wie können sich Arbeitgeber gegenüber diesen Wettbewerbern positionieren und trotzdem Talente für ihr Comp-&-Ben-Management gewinnen? Es lohnt sich, in den eigenen Nachwuchs zu investieren. Hierzu bieten sich verschiedene Modelle an:

  1. Mit einem Re-Branding der Rolle, zum Beispiel als Specialist HR Analytics & Rewards oder Specialist HR Controlling & System, werden möglicherweise Kandidatinnen und Kandidaten angesprochen, die der gebräuchliche klassische Jobtitel „Compensation & Benefits“ von einer Bewerbung abhält. 
  2. Trainee-Programme bieten sich für Young Professionals an. Diese lassen sich auf die Disziplin Vergütung und verwandte Themen ausrichten. Voraussetzung hierfür ist allerdings ein Umfeld mit Kolleginnen und Kollegen, die fachlich und didaktisch die relevanten Inhalte vermitteln können.
  3. Mitarbeitende in Comp-&-Ben-Projekten zu befähigen, ist ein anderer gangbarer Weg. Wir haben in der Vergangenheit im Rahmen von Projekten zur Stellenbewertung und Vergütungsstrukturierung Mitarbeitende unserer Kunden nach dem Prinzip „Learning on the Job“ ausgebildet. Also gemeinsam mit dem Projektteam von Beginn an systematischen Wissenstransfer betrieben und die Lernenden mit Aufgaben steigender Komplexität befähigt. Auf diese Weise wird das Projekt professionell zu einem nachhaltigen Erfolg begleitet und die eigenen Beschäftigten werden empowered. Ein Ansatz, der erhebliche Kosten im Vergleich zu klassischen Beratungsprojekten einspart.
  4. Unternehmen sollten in die Weiterbildung ihres HR-Personals investieren. Zum Beispiel bei der Vlerick Business School, die spezifische Comp-&-Ben-Programme anbietet. Auch die britische Weiterbildungsplattform E-Reward hat verschiedene Module im Angebot, die virtuell absolviert werden können.

Fazit: Unternehmen können den Vergütungsnachwuchs und Berufserfahrene gewinnen, indem sie einen Teil der Recruiting-Klaviatur bespielen. Letztlich führen die klassischen Maßnahmen zum Erfolg: Praktikumsplätze anbieten, den Nachwuchs selbst ausbilden, an die eigene Alma Mater gehen und das Berufsfeld im Rahmen von Case Studies oder Praktikerbeiträgen vorstellen – und vor allem dem Mangel an Comp-&-Ben-Mitarbeitenden durch eine strategische Personalplanung gerecht werden.

Lisanne Metz
Managing Director & COO
Quality Personnel Management GmbH
lisanne.metz(*)gradar(.)com
www.gradar.com

Philipp Schuch
CEO& Founder
Quality Personnel Management GmbH
philipp.schuch(*)gradar(.)com
www.gradar.com